Medienkonferenz der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA, 17. März 1998 in Bern

Medientext: Gesamtdarstellung

GSoA lanciert zwei neue Initiativen:

Zivile Antworten auf zivile Gefahren

Nach drei Jahren Diskussionen und Vorbereitungen steht die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA wieder auf der Strasse: Am Dienstag wurden zwei neue Initiativen lanciert, mit denen die GSoA die Einführung eines freiwilligen Zivilen Friedensdienstes und die Abschaffung der Armee fordert.

Kritisch nahm die GSoA an der Medienkonferenz in Bern zum Bericht der "Strategiekommission Brunner" Stellung. Sie bezeichnete ihre eigenen Initiativen als zivile Antwort auf die heutigen zivilen Bedrohungen und damit als Alternative zum militärischen Sicherheitsdenken.

"Die Globalisierung hat auch die Armee erfasst. Soll das militärische Prinzip das einzige Mittel der Öffnung und der Solidarität werden?", fragte Renate Schoch, Sprecherin des GSoA-Sekretariats. "Bleibt uns denn am Ende nur, in die nicht erfreuliche Vision einer Welt einzuwilligen, in der an jeder Ecke ein Soldat einer 'schnellen Eingreiftruppe' steht und aufpasst?"

Roland Brunner, GSoA-Aktivist aus Zürich und verantwortlich für die Jugoslawien- und Antikriegs-kampagne der GSoA Schweiz, betonte bei der Vorstellung der Initiative "Solidarität schafft Sicherheit - für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst ZFD", dass Pazifismus mehr bedeute, als lieb und nett zu sein. Die Veränderungen der Welt und damit der Konflikte seit 1989 habe zu einer Anpassung der Friedensbewegungen geführt, die er mit dem Slogan "Von Protesten zu Projekten" charakterisierte. Dem "Mythos der militärischen Kontrolle und Bewältigung von Konflikten" müsse ein ziviles, soziales Projekt entgegengestellt werden. Der Zivile Friedensdienst soll in der Verfassung verankert werden als Instrument zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung. Er sieht eine frei zugängliche Grundausbildung vor sowie die Schaffung eines Pools ausgebildeter SpezialistInnen, die auf Anfrage im In- und Ausland zum Einsatz kommen können. Brunner gratulierte dem ähnlich aufgebauten Schweizerischen Katastrophenhilfekorps SKH zu seinem 25jährigen Bestehen und wünschte ihm, mit dem ZFD zu einem jüngeren Bruder zu kommen, der die humanitäre Tradition der Schweiz um ein friedenspolitisches Engagement erweitere. Er betonte: "Der ZFD ist die zivilisierte und zukunftsfähige Form internationaler Solidarität und des Schweizer Engagements in der Welt von heute und morgen."

Der Genfer GSoA-Vertreter Tobia Schnebli bezeichnete den Frieden als "Angelegenheit, die zu wichtig ist, um sie in den Händen der Militärs zu belassen". Er führte die mit der Initiative geforderten zivilen Konfliktlösungsmassnahmen auf das "Programm für eine Kultur des Friedens" der Unesco zurück und betonte, die Uno habe das Jahr 2000 zum "Internationalen Jahr für eine Kultur des Friedens" erklärt. Die zivile, solidarische und offene Schweiz könne mit dieser GSoA-Initiative der Uno zum Jahr 2000 ein Geschenk machen, das weit in die Zukunft weise.

Der Berner GSoA-Aktivist Nico Lutz begründete die zweite neue GSoA-Initiative "Für eine glaubwürdige Sicherheitspolitik und eine Schweiz ohne Armee". Die "Armee ohne Feind" werde heute als Allerweltsheilmittel gegen jegliche Form ziviler Risiken verkauft. Er bezeichnete die Armee als "Teil des Problems, nicht der Lösung", da sie auf alle sozialen und ökologischen Gefahren keine Antwort gebe. "Die Schweiz muss auf zivile Bedrohungen mit zivilen Massnahmen antworten", so die Botschaft der GSoA. Lutz erklärte: "Wer meint, wir hätten es uns leicht gemacht und einfach die Initiative von 1985 aus der Schublade gezogen, der irrt gewaltig. Nach einer dreijährigen Diskussionsphase lancieren wir heute vielmehr eine aktuelle Initiative für eine zivile und solidarische Schweiz."

Auch Paolo Gillardi, GSoA-Mitglied in Genf, forderte eine zivile Öffnung der Schweiz. Er bezeichnete die neue Initiative zur Abschaffung der Armee nicht als Instrument gegen die Verteidigungsarmee von gestern, sondern als Antwort auf die militaristischen Projekte der Zukunft. Die Schweizer Militärpolitik flüchte heute aus dem Reduit des Zweiten Weltkriegs in die Festung der Nato und sehe - umzingelt von Freunden in Europa - nur noch im Lande selber ihre Feinde: Arbeitslose und Ausgesteuerte, AusländerInnen und ArbeiterInnen. Gillardi will mit den neuen GSoA-Initiativen der Schweiz den Weg in eine zivile internationale Zukunft öffnen und die "militaristische Hintertüre" verschliessen.

Unterstützt werden die beiden Volksinitiativen von verschiedenen politischen und sozialen Organisationen. Stellvertretend erklärten Annemarie Sancar Flückiger für den Christlichen Friedensdienst cfd und Christof Jakob für den Service Civil International SCI ihre Teilnahme.

Der cfd unterstützt die beiden GSoA-Initiativen, weil sie "mit der politischen Stossrichtung der GSoA übereinstimmen und neue Denk-Räume schaffen wollen", erklärte Sancar Flückiger: "Wir teilen die Ansicht der GSoA, dass die Armee ein Sicherheitsrisiko ist, auch wenn sie halbiert oder reformiert würde." Als feministisches Hilfswerk fordere der cfd zudem die "grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Militarismus als Männerideologie". Die Initiative für einen Zivilen Friedensdienst bezeichnete Sancar Flückiger dagegen als "Gegenprojekt zur Globalisierung von oben".

Der SCI unterstützt die GSoA-Initiativen, weil sie dort anknüpfen, wo der SCI heute schon tätig sei, erklärte Christof Jakob, SCI-Sekretär in Bern. Der SCI führe heute jährlich weltweit über 500 Freiwilligeneinsätze in ökologischen und sozialen Projekten durch. Zu den Initiativen erklärte Jakob: "Ein aktives internationales Friedensengagement mit dem Mittel des ZFD könnte für die Schweiz eine neue Vision darstellen, welche an die weltoffene, humanitäre Tradition anknüpft und so der Isolation entgegenwirkt." Aber auch die Armeeabschaffung sei beim SCI unbestritten.